Die Berechnung einer großen Anzahl von biomechanischen Kenngrößen aus medizinischen Bilddaten wirft eine Reihe fundamentaler Modellierungsfragen auf. Diese Fallstudie beschreibt, wie diese Problematik im Rahmen des @neurIST-Projekts behandelt wurde.

Fallstudie: Mathematische Modellierung von Hirn-Aneurysmen

Das @neurIST Projekt (siehe Übersicht) versuchte die Einschätzung des Ruptur-Risikos von Hirn-Aneurysmen zu verbessern, indem für eine große Anzahl individueller Aneurysmen mittels biomechanischer Simulation physikalische Charakterisierungen berechnet wurden. Diese Aufgabe warf viele fundamentale Fragen der Modellierung auf. Für diese Fragen wurden praktikable Antworten und Lösungen gefunden, die gleichzeitig den Weg für zukünftige Alternativen offenhalten.

Diese Fallstudie beschreibt meine Beiträge im Kontext der relevanten Projekt-Ergebnisse. Viele meiner Arbeiten fanden während meiner Zeit bei NEC statt; danach bearbeitete ich freiberuflich Unteraufträge des Projekts.

Offene Fragen der Modellbildung ...

Eine ganze Reihe von Entscheidungen zur mathematischen Modellierung mussten getroffen werden, bevor die Bearbeitung von einigen hundert Fälle ernsthaft beginnen konnte. Sollten für die Blutfluss-Simulation die Bewegungen der Aderwände in Betracht gezogen werden? Wie sollten realistische Randbedingungen an Ein- und Auslässen aussehen? Was ist die angemessene Auflösung der Rechengebiete für die Simulationen?

Das Projekt hat die relevanten offenen Fragen in einem umfassenden Dokument zusammengetragen und diskutiert ("Analysis Protocol Version 1"). Es enthält Spezifikationen der wichtigen Prozesse und Daten-Kategorien der Simulationskette, und wirft eine Anzahl von Fragestellungen auf, die durch weitere Forschungsarbeit beantwortet werden mussten, u. a. durch eine Reihe von Sensitivitätsstudien.

Einige der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Biomechanik von Aneurysmen haben dieses Dokument begutachtet. @neurIST hat ihre Empfehlungen mit den zwischenzeitlich erzielten Resultaten und Sensitivitäts-Studien in Version 2 des Analysis Protocols kombiniert. Hier wurden alle noch offenen Entscheidungen getroffen und die Spezifikationen der drei work flows finalisiert (Geometrie-, Blutfluss- und Wandspannungs-Analysen).

... und (einige) Antworten

Lineares Material-Modell Nichtlineares Material-Modell
Die Effekte unterschiedlicher Modellierungs-Entscheidungen: Links wurden der Analyse der Wandspannungen ein lineares Material zugrundegelegt und mit der Druckdifferenz zwischen systolischem und diastolischem Blutdruck belastet. Rechts wurde ein nichtlineares Materialmodell verwendet, und eine zuvor berechnete Null-Last-Konfiguration wurde mit dem systolischen Blutdruck belastet.
Abb. © Jens Georg Schmidt

Jedoch gibt es für einige Modellierungsentscheidung keine einfache "richtige" Antwort. Es ist sehr wohl möglich, dass Alternativen sich später als angemessener erweisen, oder zumindest auch überprüft werden sollten. Angesichts der immensen Arbeit von mehreren Mannjahren, die allein in der Berechnung der Fälle steckt, brannte uns daher die Frage unter den Nägeln, wie diese Arbeit für weitere Forschungen nutzbar gemacht werden könnte.

Das Projekt hat daraufhin ein allgemeines Datenmodell entwickelt, mit dessen Hilfe die Spezifikationen der Simulationen und der wesentlichen Input-Daten für künftige Nutzungen leicht zugänglich und vor allem weiterverarbeitbar abgelegt wurden. Mehr erfahren Sie in der Fallstudie zum Datenmodell.

Meine Rolle

Zur ersten Version des Analysis Protocols habe ich erheblich beigetragen, insbesondere mit einer vollständigen Spezifikation der Prozesse und Daten der Werkzeugkette. Diese Arbeit war grundlegen für die Implementierung der Simulationskette und ihrer Schnittstellendefinitionen.

CMM wurde dann vom Projekt beauftragt, die Spezifikationen für die zweite Version anzupassen, und die finale Version des Analysis Protocols zu schreiben, die auch eine Beschreibung des Simulationsdaten-Modells enthält.